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Kommentar zur Vorführung von 'Pourquoi Israel' von Claude Lanzmann, Hamburg, Ü&G, 18. 01. 2010

Zuschauer bei Lanzmanns Pourquoi Israel im Uebel und Gefaehrlich
Publikum bei Lanzmanns 'Pourquoi Israel' im Uebel & Gefaehrlich

Vorbereitung der Filmaufnahme der Podiumsdiskussion discussion
Vorbereitung der Filmaufnahme der Podiumsdiskussion

Claude Lanzmann + translator
Die Übersetzerin und Claude Lanzmann

Theweleit + Gremliza
Klaus Theweleit und Hermann Gremliza

In einem Beitrag auf dem Blog LAK Shalom Hamburg hat sich Günther Jacob kritisch zu der Vorführung des Films 'Pourquoi Israel' mit anschließender Podiumsdiskussion geäußert.

Meine Wahrnehmung der Podiumsdiskussion (ich saß in der 2. Reihe) entspricht ganz und gar nicht dem Eindruck, den der Radiohörer Günther Jacob hatte. Dass nicht zuerst die deutschen Gäste dran waren und Begrüßungen und politische Erklärungen zu dem Vorfall der verhinderten Vorführung im B-Movie abgaben, fand ich angemessen. Stattdessen hatte Claude Lanzmann, angesprochen auf die Frage der Aktualität des Films, viel Zeit, sich zu der Geschichte der Entstehung von 'Pourquoi Israel' zu äußern.

Ich empfand das Publikum als ruhig, interessiert und emphatisch.

Ein offensives Bekenntnis zu Israel am Beginn wäre eher peinlich gewesen. Die grundsätzliche Solidarität mit Israel war bei allen auf dem Podium und (soweit man das für ein Publikum sagen kann, auch hier) spürbar. Dann zu Beginn zu erklären, dass "dies kein Abend von und für Cineasten ist, sondern eine politische Solidaritätsveranstaltung", hätte Lanzmann am allerwenigsten gefallen.

Respekt gegenüber dem alten, extra angereisten Lanzmann bedeutete gerade, sich ihm und dem, was er zur Sprache bringen wollte, zu überlassen. Man kann sich gut vorstellen, dass er häufig zu seiner Einstellung zum Nahostkonflikt gefragt wird und eher seltener zu den spezifischen Mitteln, die diesen Film (und ebenfalls Shoah) auszeichnen.

Auf seine filmische Kunst war Lanzmann mit Recht spürbar stolz. Darüber, über sein filmisches Verhältnis zur Zeit, "die nicht aufhört, angehalten zu sein und dennoch vergeht", sprach er ausführlich. (Die Übersetzerin hatte etwas Schwierigkeiten mit diesem bewusst paradoxen Gedanken und übersetzte franz. daté versus viellé mit "datiert" versus "gealtert".) Dass Theweleit dann über Lanzmanns Verfahren, über die ästhetische Vorgehensweise in 'Pourquoi Israel' sprach, geschah also durchaus in Anschuss an Lanzmanns eigene Worte. Die spezifische Rolle, die Lanzmanns Art der Fragen, sein persönliches Zugegensein und Insistieren und der souveräne Einschluss der Aufnahmesituation für die entstehende Situation und damit für das spielt, was sich im Material niederschlägt, hat Theweleit gut beschrieben.

Ich weiß nicht, worauf sich Äußerungen wie "Gegen Lanzmanns Aura wurde angestottert" beziehen. Die große Wertschätzung Lanzmanns war deutlich spürbar. Wenn der etwas hastige, sich verschluckende Duktus Theweleits tatsächlich nicht nur mit der trockenen Luft, sondern auch mit dem Gewicht des Themas und der immer mitgedachten ungeheuren deutschen Schuld zu tun hatte, warum soll man es nicht sehen und hören?

Pourquoi Israel podium discussion: Translator, Lanzmann, Dax, Theweleit, Gremliza
'Pourquoi Israel', Podiumsdiskussion: Übersetzerin, Lanzmann, Dax, Theweleit (verdeckt von einem Fotografen), Gremliza

Schwer zu sagen, wie's gelaufen wäre, wenn die Diskussion mehr ein wirkliches Gespräch gewesen wäre, mit Rede und Antwort. So brachte jeder seinen (eher langen) Beitrag—Lanzmann hatte in dieser Art begonnen, somit war die Form angelegt. Dass Gremliza die Frage stellte, warum die Palästinenser nur am Rande vorkämen, fand ich in Ordnung, die Antwort ebenso. Die Frage wirkte auf mich auch nicht als Vorwurf. Kaum jemand, der sie stellte, könnte eines Angriffs auf die Position Lanzmanns unverdächtiger sein als Gremliza. Theweleit griff das Thema 'für-sich-nicht-für-die-anderen-sprechen' auf und bemerkte, dass die Palästinenser in einem anderen Lanzmann-Film ('Tsahal') stärker präsent seien. Auch dies wirkte auf mich nicht wie ein indirekter Vorwurf an 'Pourquoi Israel'.

Max Dax, der die Sache mit dem Fragezeichen nach dem Filmtitel lancierte, hatte diesen Missbrauch der Interpunktion wahrscheinlich irgendeiner Presseveröffentlichung entnommen (ich habe auch irgendwo sowas gelesen) und dies an Lanzmann weitergereicht, sicher nicht mit der Intention, selbst das Thema des Films (die Begründung Israels) in Frage zu stellen. Lanzmann verstand das nicht, weil er sich an das Fragezeichen hinter seinem Filmtitel entweder nicht mehr erinnerte oder das Ganze eine reine Medienfabrikation ist, die Dax ungeprüft übernommen hat. Mir schien, als täte diese Irritation, dieses Missverständnis, allen im Raum leid - für Max Dax war es natürlich sehr unglücklich. Es wäre sicher schlauer gewesen, Fragen aus der eigenen Wahrnehmung des Films heraus zu finden statt einen kolportierten Aufhänger für eine vielleicht gewollte politische Wendung der Diskussion zu lancieren. Aber so ist es eben gelaufen. Max Dax ist ja noch jung und war auch in der Gesprächsführung etwas unsicher, was ich nachvollziehen kann. Das hat aber alles nichts gemacht.

Was wirklich fehlte, war am Ende ein deutlicheres Dankeschön an Claude Lanzmann: man hätte ihm die Gelegenheit zu einem Schlusswort geben sollen.

Last update: 23 January 2010 | Impressum—Imprint